Es war für mich keine Frage, ob ich stillen wollte. Ich hatte vorher wenige Frauen erlebt, die nicht gestillt hatten. Mein Bild vom Stillen war, dass es etwas natürliches, einfaches, praktisches, harmonisches ist.
Natürlich hatte ich keine Ahnung, was mich erwartet. Wie wahrscheinlich viele, hatte ich die Vorstellung, dass Stillen ganz einfach gehen muss, schließlich war es einmal überlebensnotwendig für Säuglinge. Zum Glück wurde ich im Geburtsvorbereitungskurs vorgewarnt, dass man Stillen lernen muss, und zwar sowohl Mutter als auch Kind. Ich war also ein bisschen darauf vorbereitet, dass es nicht unbedingt von Anfang an klappt.
Das war übrigens schon in der Steinzeit so. Damals schauten sich Frauen das Stillen bei anderen ab, und hatten wahrscheinlich auch Unterstützung von älteren Frauen. Bei Menschenaffen verhält es sich ähnlich. Heute haben wir weniger Vorbilder, dafür – zum Glück – Hebammen und speziell geschulte Krankenschwestern, die uns das Stillen beibringen.
Im Kurs lernte ich auch, dass man möglichst bald nach der Geburt Stillen soll, da anfangs der Saugreflex des Babys am stärksten ist. Nach meiner ersten Geburt vergingen etwa zwölf Stunden, bis ich das erste Mal halbwegs erfolgreich stillte. Vielleicht war unser Stillstart auch deshalb etwas holprig.
In den ersten Tagen brauchte ich viel Hilfe von den Krankenschwestern. Zum einen war das Baby nur am Schlafen, und ich musste ihn zum Stillen wecken, und dann wachhalten. Zum anderen schaffte er es nicht richtig, die Brust anzusaugen. Ich benutzte schließlich Stillhütchen, sozusagen als Warzenvergrößerung. Damit klappte es bald ganz gut, aber das Aufwecken war ziemlich anstrengend.
Ich war froh, im Krankenhaus zu sein und rund um die Uhr Ansprechpartner zu haben. Die Schwestern waren auch wirklich sehr kompetent und nahmen sich Zeit. Als ich am dritten Tag nach der Geburt nach Hause ging, hatte ich das Gefühl, es klappt schon ganz gut, auch ohne Stillhütchen.
Doch dann kam der Milcheinschuss. Und die wunden Brustwarzen. Zum Glück hatte ich ein Stillhütchen und ein Tütchen Lanolin aus dem Krankenhaus mitgenommen. Durch den Milcheinschuss war meine Brust nämlich so prall, dass Baby die Brustwarze wieder nicht ansaugen konnte. Das Hütchen musste also wieder her.
Auch als die Schmerzen in den Brustwarzen so schlimm wurden, dass ich es nicht mehr aushielt, waren die Stillhütchen sehr hilfreich. Meine Hebamme empfahl mir Muttermilch und frische Luft, aber oben ohne rumlaufen ist nicht so mein Ding, besonders wenn es zu tropfen anfängt, sobald das Baby einen Laut von sich gibt.
Ich weiß nicht mehr wie lange diese Anfangsphase dauerte, aber nach wenigen Wochen hatten wir beide das Stillen gelernt und meine Brustwarzen waren abgehärtet. Ich genoss es nun sehr, mein Baby in den Armen zu halten und füttern zu können. Ich habe sehr viel Zeit damit verbracht, ihn einfach nur anzuhimmeln und die Nähe zu genießen.
Die wunden Brustwarzen kamen auch später wieder, aber nicht allzu oft. Manchmal packte ich dann meine Stillhütchen wieder aus. Die kleine Tube Lanolin kam ab und an noch zum Einsatz, leer wurde sie allerdings nie.
Beim zweiten Kind war es viel einfacher. Ich stillte sofort nach der Geburt, und der Kleine saugte gleich drauflos. Keinerlei Schwierigkeiten, keine Stillhütchen – nur wunde Brustwarzen hatte ich wieder, aber diesmal dauerte es nicht so lange bis sich alles eingespielt hatte.
Ich stille sehr gerne. Zum einen ist es ein sehr zufrieden stellendes Gefühl, ein Baby satt machen zu können. Außerdem genieße ich die Nähe, und die Zeit, in der ich einfach nur dasitzen darf und mit meinem Baby kuscheln – beim zweiten Kind noch mehr als beim ersten, denn es gibt praktisch immer etwas zu tun, und die Kuschelzeit ist begrenzt.
Und dieser Blick, mit dem mich das Baby beim Nuckeln ansieht, ist wohl mit das schönste daran, ein Baby zu haben. Kürzlich habe ich gelesen, dass dieser Blick Bindung hervorrufen soll, was mir absolut plausibel erscheint. Oft habe ich meine Kinder beim Stillen einfach nur angehimmelt – genauso wie sie mich.
Dazu kommt noch diese ungeduldige Vorfreude, manchmal auch die pure Ungeduld, kurz vor dem Stillen. Dann die Glückseligkeit über das scheinbar beste Essen das es gibt, und schließlich entweder friedliches Schlafen oder zufriedene Erschöpfung, mit einem glücklichen Lächeln und einem Blick, der schon fast an einen Drogenrausch erinnert.
Außerdem finde ich das Stillen einfach ungeheuer praktisch. Muttermilch ist immer sofort verfügbar, hat die richtige Temperatur und ist das perfekte Nahrungsmittel für mein Baby. Ich muss nachts nicht aufstehen und im Notfall habe ich immer das perfekte Mittel zum Trösten parat. Ich muss nichts extra einpacken wenn wir unterwegs sind, nichts abspülen oder sterilisieren.
Zum Glück hatte ich nie ein Problem damit, in der Öffentlichkeit zu stillen. Für mich war immer klar, dass ich nicht ein Gespräch unterbrechen will, wenn mein Kind Hunger bekommt. Ich lege ihn einfach kurz an und rede dann weiter, esse weiter, je nachdem. Bisher hat sich auch noch nie jemand bei mir beklagt, der mich beim Stillen beobachten musste. Natürlich gibt es oft Menschen, die angestrengt wegsehen. Ich kann damit ganz gut leben, obwohl mir freundlich- neugierige Beobachter irgendwie doch lieber sind.
Natürlich gibt es auch Kinder, die vor lauter Neugier nicht zum futtern kommen, wenn zu viel um sie herum los ist. Mein Kleiner hatte auch so eine Phase, und da ich eine recht übereifrige Brust habe, die ab und zu spritzt und oft tropft wenn er beim Trinken absetzt, kam es da manchmal zu peinlichen Erlebnissen (meistens waren es nur Flecken auf dem T-Shirt, aber auch da stehe ich nicht ganz drüber, je nachdem in welcher Gesellschaft ich gerade bin).
Ich habe übrigens auch kein Problem mit Kuh-Analogien (mein Mann macht öfters mal „Muh“ wenn ich gerade abpumpe, um mich zu ärgern), denn ja, es ist das selbe Prinzip. Mein Respekt vor Kühen ist deutlich größer geworden, seitdem ich Kinder habe (vor kurzem habe ich mit Schaudern eine Doku über Hochleistungskühe gesehen).
Alles was ich seither gelesen habe spricht für das Stillen. Es unterstützt das Immunsystem, unterstützt das Verdauungssystem beim Verdauen von fester Nahrung und fördert das Wachstum des Gehirns, auch nach dem ersten Lebensjahr. Es gibt also keinen Grund, damit aufzuhören. Außer man möchte es.
Abstillen
Mein erstes Kind habe ich nach etwas mehr als einem Jahr abgestillt. Ich war erst einmal unsicher wie das gehen soll, und überlegte, meine Hebamme zu kontaktieren. Letztendlich habe ich aber einfach ausprobiert, und es lief sehr gut.
Als er ein Jahr alt war, stillte ich ihn noch zweimal am Tag: einmal abends, und einmal früh morgens. Ich beschloss, zuerst das Abendstillen wegzulassen, da er nach dem Morgenstillen noch einmal einschlief und ich eigentlich keine Lust hatte, morgens um halb sieben aufzustehen. Mein Sohn machte alles problemlos mit, nach wenigen Tagen wachte er morgens einfach gar nicht mehr auf.
Als ich das regelmäßige Stillen aufgehört hatte, stillte ich nur noch, wenn die Schmerzen in meiner Brust zu groß wurden. Die Abstände wurden immer länger, bis ich schließlich, als nach etwas mehr als zwei Tagen meine Brüste wieder zu schmerzen begannen, beschloss: Nein, es reicht jetzt, wir hören auf damit. Ich musste danach nicht mehr stillen, die Schmerzen vergingen von selbst.
Mal sehen, ob es mit dem Kleinen auch so harmonisch läuft. Er ist jetzt dreizehn Monate und ich denke eigentlich noch nicht ans Abstillen. Ich würde gerne auf den Moment warten, an dem wir beide, oder einer von uns, einfach nicht mehr wollen. Mal sehen, wann der kommt.
Es gibt ja viele Gründe, um abzustillen, doch die meisten treffen bei uns gerade nicht zu. Schon seit längerem bringt mein Mann den Kleinen ins Bett, weil der Große von mir ins Bett gebracht werden möchte. Ich stille einfach vorher, noch im Bad. Er schläft dann meistens problemlos mit Papa ein. (Das ist er mittlerweile so gewöhnt, dass er mit mir oft nicht einschläft 🙁 )
Ich kann ihn auch für einige Stunden bei jemand anderem lassen, denn er braucht das Stillen ja nicht mehr als Nahrung, und wenn ich nicht da bin, lässt er sich auch so trösten, selbst abends.
Lange empfand ich die Nächte als Problem, weil er sehr oft (teilweise bis zu sechsmal) aufgewacht ist und dann gestillt werden wollte. Mittlerweile hat sich das aber von selbst etwas reduziert, meistens stille ich einmal nachts und einmal früh morgens. Damit kann ich leben.
Ich will mit diesem Beitrag einen Erfahrungsbericht geben, aber keinesfalls das Stillen als die bessere Variante darstellen. Wenn es sich so anhört, dann weil ich gerne stille und weil ich einfach keine Erfahrungen mit dem Füttern mit Flasche gemacht habe, also kann ich dazu nichts sagen.
Wobei keine Erfahrungen nicht ganz richtig ist. Als ich sieben Jahre alt war, durfte ich ab und zu der Tochter einer Freundin meiner Mutter die Flasche geben. Ich erinnere mich noch daran, wie schön das war, und wie stolz ich war. Die oben erwähnten schönen Momente kann man auch beim Füttern mit der Flasche erleben, und diese sind nicht nur auf die Mutter beschränkt. Das Füttern kann delegiert werden an den Papa, große Geschwister, Großeltern, Freunde. Das ist ein großer Vorteil.
Jede Mutter sollte für sich und ihre Familie entscheiden dürfen, was für sie das richtige ist. Genauso wie es für mich viele gute Gründe fürs Stillen gibt, gibt es für Andere ebenso gute Gründe, warum sie sich für das Flasche geben entscheiden. Oder warum sie früher abstillen. Zum Glück haben wir diese Entscheidungsmöglichkeit. Wir sollten sie nutzen, und jede Mutter, jede Familie so entscheiden lassen, wie es für sie am besten passt.