Unsicherheit bedeutet, dass wir uns Gedanken machen und reflektieren.
Susanne Mierau, Frei und Unverbogen (2021)
Ich bin eine eher zurückhaltende, vorsichtige und, im Umgang mit anderen Menschen, unsichere Person. Oft habe ich mir gewünscht, aufgeschlossener, mutiger und weniger unsicher zu sein. Doch mir war immer klar, dass meine Unaufgeschlossenheit und Unsicherheit mit anderen Eigenschaften einhergehen, die mir sehr wichtig sind: Ich kann gut zuhören, bin empathisch, und sehr reflektiert.
Heute habe ich mich einigermaßen mit meiner Unsicherheit abgefunden, auch wenn ich oft noch mit ihr kämpfe. Aber ich wünsche mir nicht mehr, anders zu sein, weil mir klar ist, dass meine guten und schlechten Eigenschaften zusammen- und zu mir gehören.
Was ich damit sagen will: es gibt keine guten und schlechten Eigenschaften. Oft sind unsere Schwächen gleichzeitig unsere Stärken. Sie machen uns zu dem, wer wir sind.
Und auch Kinder lernen von unserer Fehlbarkeit: Sie erfahren, dass Fehler normal sind und wie mit ihnen umgegangen werden kann, dass sie nicht vertuscht oder durch Gewalt unterdrückt werden müssen, sondern dass Fehler es ermöglichen, sich selbst zu überdenken und im konstruktiven Miteinander neue Handlungsmöglichkeiten zu erproben. Kurz: Sie lernen Flexibilität und Kreativität.
Susanne Mierau, Frei und Unverbogen (2021)
Kinder lernen durch unser Vorbild. Wenn wir ihnen Perfektionismus vorleben, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie später auch einmal Perfektionisten werden. Ich finde, das ist das beste Argument dafür, weniger perfektionistisch zu sein.
Ein guter Umgang mit Fehlern ist natürlich nicht einfach. Aber vielleicht hilft es ja, sich folgendes vor Augen zu halten:
Die Vorstellung von perfekten Eltern ist [..] absurd. Die besten Eltern, die ein Kind haben kann, sind diejenigen, die Verantwortung für ihre Fehler übernehmen, wenn sie ihnen bewusst werden.
Jesper Juul, Leitwölfe sein (2016)
Natürlich ist es für unsere Kinder enorm wichtig, wie wir mit ihnen umgehen. Aber ich glaube, es kommt weniger darauf an, wie viele Fehler wir auf ihre Kosten machen, und mehr darauf, mit welcher Haltung wir ihnen gegenübertreten. Begegnen wir ihnen mit Respekt, oder üben wir Macht aus? Sehen wir sie als vollwertige Personen, mit Bedürfnissen, Gefühlen und einer eigenen Persönlichkeit, oder als halbfertige Menschen, die wir erst formen müssen? Haben wir Verständnis für ihre Situation, oder sehen wir nur uns und die Gesellschaft, die die Kinder in einer bestimmten Form haben möchte? Versuchen wir, sie mit Härte und Druck zu dem zu machen, was wir für richtig halten, oder helfen wir ihnen, ihren eigenen Weg zu finden?