Kontrollverlust


Wir leben zusammen mit meinen Schwiegereltern in einem Haus, sie unten, wir oben, in zwei getrennten Wohnungen.

Vor ein paar Wochen hatten meine Kinder und ich einen schlechten Start in den Tag. Mein Mann war schon weg, arbeiten. Wir hatten mal wieder eine unruhige Nacht hinter uns, und der Große und ich stritten schon beim Aufstehen heftig. Es endete in einem beiderseitigen Wutanfall im Bad. Der Große schrie und weinte und ich bemühte mich irgendwie, ihn nicht weiter anzubrüllen. Der Kleine wollte, wie üblich, auf dem Wickeltisch lieber spielen, als sich anziehen zu lassen, was dazu führte, dass ich auch ihn anschrie. Ja, ich brüllte mein nicht einmal neun Monate altes Baby an.

Plötzlich stand meine Schwiegermutter neben mir. In meinem Bad. Meine erste (innerliche) Reaktion war, naja, nicht gerade Begeisterung. Genau genommen musste ich einige Zeit überlegen, wie ich auf dieses Eindringen reagieren sollte.

Sie beruhigte den Großen, indem sie ihm einen Spaziergang versprach, wenn er sich angezogen hatte (auch das ärgerte mich erst mal, aber später konnte ich dann doch nichts verwerfliches mehr an diesem Vorschlag entdecken), und als sie das geschafft hatte, scherzte sie mit dem Kleinen, sodass er brav liegen blieb und ich ihn wickeln und anziehen konnte.

Ich bin niemand, der zu schnellen Gefühlsreaktionen neigt, (außer, gelegentlich, gegenüber meinem Mann und meinen Kindern,) deshalb ließ ich sie gewähren. Hinterher kam ich zu dem Schluss, dass das auch genau das Richtige war, denn sie hatte die Situation in kurzer Zeit beruhigt.

Ich überlegte noch eine Zeit lang, was ich von diesem Eingriff meiner Schwiegermutter in meine Privatsphäre halten sollte. Am Ende überwog aber die Dankbarkeit dafür, dass sie mich davon abgehalten hatte, meine Kinder weiter anzubrüllen.

Die Frage ist ja, warum störte es mich überhaupt, dass sie plötzlich neben mir stand, um mir in einer kritischen Situation zu helfen. Denn sie hat ja wirklich nichts falsch gemacht. Sie hat mir nicht gesagt, was ich tun soll, oder in irgendeiner Weise kluge Ratschläge erteilt, oder mich kritisiert, auch später nicht. Sie war einfach nur da und hat geholfen.

Zum Einen war es mir natürlich peinlich, dass sie diesen Moment mitbekam. Natürlich war mir klar, dass man mein Gebrüll unten hören musste, aber ihr Auftauchen machte das eben noch deutlicher.

Aber das Hauptproblem war, dass ich die Kontrolle verlor, und sie übernahm. Aus meiner jetzigen Sicht war das auch genau richtig. Sie machte nichts, wozu ich nicht meine Erlaubnis geben würde, aber ich bilde mir eben ein, immer die Kontrolle haben zu müssen, immer gefragt werden zu müssen, wenn es um meine Kinder geht. Nur dass sie mich in diesem Moment nicht fragen konnte, weil ich viel zu aufgebracht war.

Das ist aber mein Problem, nicht das meiner Schwiegermutter, und erst recht nicht das meiner Kinder. Egal wer mich auf den Boden zurückholt, und egal wie, wenn ich davon abgehalten werde, die zwei anzuschreien, ist das IMMER ein Gewinn, für die beiden, und auch für mich.

Ich weiß nicht, was Oma an diesem Tag dazu bewegt hat, in meinem Bad zu erscheinen, ob sie mir helfen wollte oder eher ihren Enkeln. So oder so, es war gut, dass sie da war.


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