Ich habe festgestellt, dass es mir wesentlich schwerer fällt, über das Thema Schule zu schreiben, als über Elternthemen. Das liegt wohl einerseits daran, dass die Elternthemen, im Gegensatz zur Schule, gerade mein Alltag sind. Aber es geht mir hier auch um etwas Anderes: ich möchte erklären, warum unser Schulsystem dringend reformiert werden muss. Warum, beispielsweise, Noten schlecht sind für einen guten Lernprozess. Aber leider habe ich festgestellt, dass ich so viel, was ich im Studium gelernt habe, vergessen habe (und ja, ich habe das tatsächlich im Studium gelernt). Ich muss also erstmal ein wenig (vielleicht auch ein bisschen mehr) recherchieren und lesen, bevor ich dazu was schreiben kann. Und dazu komme ich gerade nicht. Ich hoffe ich schaffe es bald mal, meine Gedanken zu sortieren und mit Wissen zu ergänzen. Aber es könnte noch eine Weile dauern. Leider.
Ganz ohne Recherche beschäftige ich mich im Folgenden mit der Frage, was in der Schule gelernt werden soll. Also, was im Lehrplan stehen soll. Ich kann diese Frage natürlich nicht allein beantworten, ich präsentiere hier nur meine Ideen.
Anstatt alte Lehrpläne auszumisten und wieder neue, immer noch überladene, daraus zu basteln, sollte man lieber wieder von Null anfangen, mit der Frage: Welche Kompetenzen, Fähigkeiten und Kenntnisse braucht JEDER, um die persönlichen, gesellschaftlichen und globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern zu können und damit ein mündiges Mitglied unserer Gesellschaft zu werden?
Nicola Schmidt nennt in ihrem Buch Der Elternkompass[1] drei zentrale Eigenschaften, die einem ein gutes Leben ermöglichen: ein gutes Selbstwertgefühl, die Fähigkeit, mit Stress gut umgehen zu können und Resilienz, also die Fähigkeit, auch schwere Schicksalsschläge überwinden zu können.
Soziale Kompetenzen waren eine Zeit lang in aller Munde, dazu gehört Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Kompromissbereitschaft, Empathie, Selbstreflexion, interkulturelle Kompetenz (also die Fähigkeit, mit Menschen aus einem anderen Kulturkreis zurechtzukommen) und viele, viele andere.
Dann gibt es noch methodische Kompetenzen, die dazu führen, dass man fähig ist, selbständig zu lernen. Diese Fähigkeit wird immer wichtiger, um mit dem heutzutage so schnell fortschreitenden Fortschritt und den Veränderungen mitzuhalten, die wir nun mal nicht vorhersehen können.
Alles was wir heute an Inhalten vermitteln, kann morgen schon wieder veraltet sein. Deshalb sind eben die oben genannten „soft skills“ so wichtig geworden. Wir sollten uns also viel mehr auf ihre Vermittlung konzentrieren, anstatt weiterhin hauptsächlich Inhalte zu vermitteln.
Natürlich stehen all diese Fähigkeiten bereits im Lehrplan. Aber keine überprüft, ob sie vermittelt werden, ganz im Gegensatz zu den Inhalten. Im Abitur wird Mathe und Deutsch geprüft, nicht aber die soziale Kompetenz eines Schülers.
Damit will ich nicht sagen, dass man mehr prüfen sollte (das ist theoretisch ja auch kaum möglich), aber wir sollten uns mehr Gedanken darüber machen, wie man sich soft skills aneignen kann. Solche Fähigkeiten können nicht konkret vermittelt werden, man lernt sie im Tun, im Umgang miteinander, durch gegenseitige Wertschätzung, durch Erfahrungen.
Also wie, durch welche Tätigkeiten, können Schüler soft skills lernen? Mit dieser Frage sollte man sich noch wesentlich mehr beschäftigen, als das bisher der Fall ist, ganz besonders auch in der Lehrerausbildung.
Natürlich gibt es trotzdem auch viele wichtige Inhalte. Wir müssen nicht darüber diskutieren, ob man lesen, schreiben und rechnen können muss, aber es stellt sich mir dann doch die Frage, ob jeder unbedingt den Funktionsbegriff verstanden haben muss, um ein wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft zu sein (es lassen sich dafür sicher einige Gegenbeispiele finden).
Ein Aspekt, der wohl ohne Zweifel wirklich jeden betrifft, wird von Teilen des Schulsystems noch fast oder ganz ausgeklammert: die Gesundheit. Dazu gehört Ernährung, wie halte ich mich körperlich fit, wie erkenne ich Krankheiten, auch psychische, was mache ich im Krankheitsfall und vieles mehr.
Auch das Thema Erziehung betrifft jeden von uns, denn wir alle werden bzw. wurden erzogen. Wird dies in der Schule angesprochen, hilft es uns nicht nur, wenn wir selbst einmal Kinder haben, sondern können vielleicht auch das Verhalten der eigenen Eltern besser einordnen. Abwertungen der Eltern können so zum Beispiel relativiert werden, was sich positiv auf den Selbstwert auswirkt. Die Reflexion des Erziehungsverhaltens der Eltern (und auch Lehrern und Erziehern) kann oft sehr heilsam sein und verringert gleichzeitig dessen Einfluss, sofern es sich negativ ausgewirkt hat.
Ein umfassendes Verständnis unserer Demokratie ist ebenfalls äußerst wichtig, und auch dieses Thema kommt in den Schulen häufig noch zu kurz.
Viele Dinge lernt man allerdings auch erst dann am nachhaltigsten, wenn man es braucht, zum Beispiel, wie man eine Steuererklärung macht oder wie man Versicherungen abschließt und welche Versicherungen sinnvoll oder verpflichtend sind. Hier wären Kurse für Erwachsene (kostenlos und leicht zugänglich) wesentlich sinnvoller, als dies Jugendlichen beizubringen.
Letztendlich kommen wir nicht darum herum, auch als Erwachsene immer wieder Neues zu lernen. Die Welt verändert sich, der technische Fortschritt geht immer schneller voran, und wir haben heute noch keine Ahnung, wie die Welt in ein paar Jahren aussehen wird.
Das wichtigste, was wir unseren Kindern beibringen müssen, ist also, selbständig zu lernen. Denn dann können sie sich alles beibringen, was sie brauchen. Dabei ist es wichtig, ihre natürliche Neugier zu erhalten, und Lernen nicht zum Zwang zu machen, sondern als etwas lohnenswertes zu betrachten, etwas Natürliches, und etwas, bei dem man selbst aktiv sein muss.
Deshalb sollte selbständiges Lernen von Anfang an viel stärker im Mittelpunkt stehen.
Welche Kompetenzen werden benötigt, um bestimmte Berufe erlernen zu können oder um studieren zu können?
Wenn es um die Vorbereitung auf das Berufsleben geht, sollte Lernen sehr viel individueller gestaltet werden. Natürlich macht es Sinn, Jugendliche nicht zu früh zu spezialisieren, damit sie in ihrem späteren Leben möglichst viele Möglichkeiten haben. Trotzdem sollte man auf individuelle Fähigkeiten eingehen, und lieber Stärken fördern, anstatt Schwächen auszugleichen.
Im Moment läuft es doch meist so: Ist ein*e Schüler*in schlecht in Mathe, bekommt er bzw. sie Nachhilfe, und muss büffeln, damit er bzw. sie es mit sehr großer Mühe auf eine vier schafft. Englisch mag er/ sie, tut sich leicht, hat aber nicht genug Zeit sich damit zu beschäftigen und bekommt deshalb nur eine zwei oder drei, obwohl er/ sie besser sein könnte.
Stattdessen könnte man Fächer auf unterschiedlichen Niveaus unterrichten, oder jedem für jedes Thema so viel Zeit lassen, wie er braucht.
Insgesamt sollten wir unseren Fokus ändern. Anstatt Zielvorgaben zu haben, die alle in einer bestimmten Zeit erreichen müssen, sollten wir uns jede*n Schüler*in anschauen und sehen, wozu er bzw. sie fähig ist. Gemeinsam mit dem/der Schüler*in können wir schließlich individuelle Ziele setzen. Im Laufe der Zeit werden die Schüler*innen auch Neues über sich selbst lernen, und sie müssen ihre Ziele mit Hilfe ihrer Lehrkräfte und Eltern immer wieder anpassen. So wird auch die Persönlichkeitsbildung unterstützt.
Es sollte also durchaus Lernziele geben, die für alle gültig sind, allerdings viel weniger konkrete Inhalte, um Schüler*innen und Lehrer*innen mehr Freiräume zu geben, damit jede*r Schüler*in auch seine persönlichen Ziele finden und verfolgen kann. Außerdem sollte mehr Fokus auf „soft skills“ gelegt werden.
Um die allgemeinen Lernziele bzw. einen Lehrplan aufzustellen, bedarf es sicher vieler Diskussionen, die nicht nur unter Experten hinter verschlossenen Türen stattfinden sollte, sondern der gesamten Gesellschaft zugänglich gemacht werden muss, wie dies zum Beispiel beim „Wir-für-Schule“ Hackathon bereits passiert ist. (Hier wurde bereits ein Zielbild für die Schule von morgen formuliert.) Nur wenn viele Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund ihre Meinung äußern und mitdiskutieren können bekommt man ein Abbild davon, was das Ziel von Schule tatsächlich sein sollte.
[1] Nicola Schmidt: Der Elternkompass (2020)