Schwangerschaft


Ich wusste immer, dass ich Kinder haben will, und am besten früher als später. Als ich dann, mit 28, vollkommen geplant schwanger wurde, war trotzdem mein erster Gedanke beim Anblick des Schwangerschaftstests: „Ach du scheiße, was hast du da angestellt“.

Mir wurde plötzlich klar, dass ich die endgültigste Entscheidung getroffen hatte, die man im Leben treffen kann: Die Entscheidung dafür, Mutter zu werden. Von dem Augenblick an, in dem ich von der Schwangerschaft erfuhr, war ich Mutter. Ich war nicht mehr nur für mich allein verantwortlich, sondern auch für ein weiteres, winziges Wesen, das in mir wuchs und dessen Wohlergehen vollkommen von mir abhängig war.

Seit Jahren hatte ich mir Kinder gewünscht, und trotzdem war mein erstes Gefühl nicht Freude, sondern eine Mischung aus Überforderung, Ungewissheit, aber auch ein bisschen Erleichterung, dass der erste Schritt jetzt gemacht war und ich zwar in eine ungewisse Zukunft blickte, aber es war auch ein Schritt vorwärts in ein Leben, von dem ich dachte dass ich es so leben wollte.

Es dauerte auch ein paar Wochen, bis die Tatsache, dass ein neues Familienmitglied in mir wächst, gefühlsmäßig bei mir angekommen war. Ich fühlte mich erst einmal nicht anders als vorher, abgesehen davon, dass ich dauermüde war. Allerdings war mir anfangs gar nicht bewusst, dass das an der Schwangerschaft lag.

Als ich bei meiner Frauenärztin einen Termin ausmachte, fragte man mich als erstes, ob ich schon Folsäure nehme. Ich verneinte etwas verwirrt, denn ich hatte mich null auf die Schwangerschaft vorbereitet. Abgesehen von dem, was ich von Familienmitgliedern und Bekannten mitbekommen hatte, bei denen die letzte Schwangerschaft aber schon ein Weilchen her war, (in meinem Freundeskreis war ich die erste), wusste ich nichts über Vitaminpräparate und sonstige Ernährungsbesonderheiten. Kein Alkohol – das wusste ich. Nicht zu viel Kaffee, das hatte ich auch irgendwo aufgeschnappt. Das ist ja auch irgendwie logisch, was nicht gut ist für Kinder ist eben auch nicht gut für das Kind in meinem Bauch. Und keine rohen tierischen Produkte, das wusste ich von meiner Arbeit im Naturkostladen, weil da die Schwangeren immer fragten, ob der Käse aus Rohmilch hergestellt wurde.

Ich war also nicht komplett unvorbereitet, aber ich hatte keine Bücher gelesen und nicht im Internet recherchiert. Wie man schwanger wird wusste ich ja, und ich hatte gedacht, das reicht. Die Damen im Vorzimmer meiner Ärztin schienen da anderer Ansicht zu sein.

Nach meiner ersten Untersuchung bekam ich den üblichen Wust an Zeitschriften und Werbeartikeln, die man als werdende Mutter bekommt. Ich war erstaunt über die vielen Flyer zum Thema kein Alkohol in der Schwangerschaft. Es gab sogar ein Rezeptheft mit alkoholfreien Cocktails und einen Ratgeber für Angehörige von Schwangeren. Aber alles in allem war das ganze wenig informativ und hauptsächlich Werbung. Ja, es gab sogar Werbung für die vielen Zusatzuntersuchungen, die man machen konnte.

Mit dem ersten Ultraschall, in dem ich ein winziges Herz schlagen sah, wurde der kleine Zwerg in mir
schon etwas realer. Dann begann der Bauch zu wachsen, und schließlich spürte ich erste kleine Bewegungen.

Spätestens als die Schwangerschaft niemand mehr übersehen konnte, konnte auch ich nicht mehr vergessen, dass da ein Baby in meinem Bauch wuchs. Es wurde immer aktiver, und mein Leben wurde dank Kugel immer beschwerlicher. Ich war froh zu arbeiten, denn so blieb ich in Bewegung und hatte ein paar Stunden am Tag, in denen ich mich auf andere Dinge konzentrieren musste und mein Zustand eher in den Hintergrund rückte.

In meinen beiden Schwangerschaften ging es mir eigentlich immer gut. Trotzdem war ich froh, als es wieder vorbei war. Nein, schwanger sein ist nicht krank sein, aber es ist eben auch nicht der Normalzustand. Der Körper baut einen neuen Menschen – das kostet viel Energie. Trotzdem ist es nicht unbedingt ratsam, den ganzen Tag auf der Couch zu verbringen (jedenfalls nicht, wenn die Schwangerschaft ohne Komplikationen verläuft).

Ich wollte gerne noch ein bisschen was leisten, wollte unter Menschen sein, und wollte, wie schon gesagt, nicht den ganzen Tag über meinen Zustand nachdenken müssen, nach zehn Minuten Küche aufräumen stöhnend auf die Couch sinken oder feststellen, bei welchen Tätigkeiten der Bauch im weg ist. Ich hatte das Glück, dass meine Chefin mich auf die Idee brachte, nur noch Teilzeit zu arbeiten. So schaffte ich es tatsächlich bis zum offiziellen Beginn des Mutterschutzes.

Ich stellte fest, dass die Leute mich mit anderen Augen ansahen. Ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt mehr als Erwachsene wahrgenommen wurde als vorher. Aber vielleicht war es auch nur meine Selbstwahrnehmung, die etwas veränderte. Viele waren achtsamer und hilfsbereiter als sonst. Das störte mich nicht, im Gegenteil. Es fiel mir wesentlich leichter, Hilfe anzunehmen und darum zu bitten. Vielleicht, weil ich aus meiner Sicht einen guten Grund hatte, mir helfen zu lassen.

Außerdem hatte ich ständig das Gefühl, ich müsste mich irgendwie vorbereiten auf das, was kommt, aber ich wusste nicht, wie. Klar, ein bisschen was gab es schon zu tun. Ich informierte mich über Elterngeld und diverse Anträge, die man ausfüllen muss, und stellte fest, dass man sie erst ausfüllen kann, wenn das Kind geboren ist, weil man das Geburtsdatum braucht. Ich überlegte, was wir alles brauchten, las Artikel über Schadstoffe in Kinderwägen und sichere Babyschalen. Ich kaufte ein, versuchte aber, es nicht zu übertreiben. Ich las ein Buch über Schwangerschaft und Geburt. Ich ging in den Geburtsvorbereitungskurs. Aber das alles brauchte, verteilt auf etwa acht Monate, nicht besonders viel Zeit.

Meine restliche freie Zeit verbrachte ich also damit, zu grübeln, was ich noch tun könnte. Überlegte, ob ich noch etwas lesen sollte, aber wusste nicht was. Versuchte, mich davon abzuhalten, zu viel einzukaufen. Denn letztendlich war mir klar, dass ich einfach abwarten musste, und dann mit der Erfahrung lernen.

Am Ende kam das Warten, wann es denn endlich los ging. Ich war einigermaßen ungeduldig, einerseits weil das Leben mit Kugel nun ziemlich beschwerlich war, ich nicht mehr gut schlafen konnte (beim Umdrehen im Bett fühlte ich mich immer wie ein gestrandeter Wal), das Baby ganz schön heftig boxte, was manchmal echt weh tun konnte, der Rücken schmerzte und so weiter. Außerdem wollte ich den kleinen Menschen in mir nun auch endlich kennen lernen. Ich war neugierig auf das Baby und auf das Leben als Mama. Da wusste ich noch nicht, ahnte aber vielleicht bereits, dass ich mich selbst noch mal ein bisschen neu kennen lernen würde.


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