Lange war ich der Meinung, Stoffwindeln seien unglaublich viel Arbeit, irgendwie eklig und nur etwas für Ober-Ökos (wie meine Mama, zum Beispiel; ich wurde nämlich in Stoffwindeln gewickelt). Aber irgendwie wurde ich immer wieder mit diesem Thema konfrontiert, vor allem im Netz. Der x-te Post auf Instagram zum Thema Stoffwindeln hat mich schließlich doch zum Nachforschen gebracht. Kurz darauf entschloss ich mich, es zu versuchen.
Dabei stellte ich fest, dass sich die Arbeitsbelastung in Grenzen hält. Wäsche wasche ich ja sowieso, es gibt ein bisschen mehr zusammen zu legen, aber das wars auch schon. Fürs große Geschäft habe ich Windelvlies, das man im Klo runterspülen kann. Insgesamt schätze ich meine Mehrarbeit auf 30 bis 60 Minuten pro Woche, wobei es keine unangenehme Arbeit ist (Wäsche machen ist mir um einiges lieber als aufräumen und putzen…).
Wie funktioniert das Ganze?
Ich verwende Überhosen, in die ich eine länglich gefaltete Mullwindel einlege. Über die Mullwindel kommt noch ein Windelvlies, das den groben Schmutz auffangen soll. Wenn alles übereinander gelegt ist, funktioniert das Anziehen im Prinzip wie bei Wegwerfwindeln. Natürlich muss man noch darauf achten, dass das Windelpaket gut sitzt, und dass die Mullwindel und das Vlies nicht aus der Überhose rausschauen, denn sonst wird die Hose nass.
Es gibt eine riesige Auswahl an Überhosen aus PUL, das ist innen auslaufsicher beschichtetes Polyester. Da ich eine Freundin von Naturmaterialien bin, habe ich da nach Möglichkeiten gesucht, und siehe da, es gibt auch Wollüberhosen, die ebenso einfach zu verwenden sind. Sie sind etwas pflegeintensiver, da man Wolle eben nicht so gut waschen kann. Allerdings muss man sie auch tatsächlich nur etwa alle vier Wochen waschen, und somit hält sich die Pflege auch hier halbwegs in Grenzen.
Nur alle paar Wochen waschen klingt natürlich erst mal ein bisschen eklig. Allerdings reinigt sich die Wollhose durch das natürlich enthaltene Wollfett quasi selbst, und so fängt sie auch tatsächlich nicht an zu müffeln (bzw. erst nachdem sie mehrere Wochen benützt wurden). Dafür muss man sie nach jeder Benutzung auslüften lassen und nach jedem Waschen wieder mit Wollfett behandeln, damit die „Selbstreinigungsfunktion“ erhalten bleibt.
Ich teste gerade beide Varianten. Klar, die PULs sind schon praktisch, man kann sie einfach in die Waschmaschine werfen, fertig (übrigens muss man das auch nicht nach jeder Benutzung tun; ich wasche sie etwa einmal pro Woche). Die Wollhosen sind, wie gesagt, etwas aufwändiger in der Pflege, dafür sind sie angenehmer auf der Haut, luftdurchlässiger und ein Naturprodukt. PULs dagegen produzieren, auf lange Sicht, natürlich auch mal Plastikmüll, wenn auch wenig. Und beim Waschen entsteht Mikroplastik. Zudem nehmen Wollhosen überschüssige Flüssigkeit auf und halten so besser trocken als die PULs.
Es gibt noch viele weitere Windelsysteme auf dem Markt. Ich habe auch eine All-in-One-Windel getestet. Hier ist die Einlage gleich in die Überhose mit eingenäht. Sie ist fast genauso zu handhaben wie eine Wegwerfwindel, allerdings macht hier eine Variante aus Wolle keinen Sinn, weil man die Windel natürlich nach jeder Benutzung waschen muss (am besten bei 60 Grad). All-in-Ones produzieren also wesentlich mehr Wäsche. Die Variante, die ich getestet habe, dauert auch ziemlich lange, bis sie endlich trocken ist, da die Einlagen recht dick sind. Ich habe die mit Baumwolleinlagen getestet. Häufig haben All-in-Ones Polyestereinlagen, die sicher schneller trocknen.
Meine Sorge, dass die Bodys dann nicht mehr passen, weil das Stoffwindelpaket doch um einiges dicker ist als die Wegwerfwindeln, war unbegründet. (Besonders praktisch finde ich da die Mitwachs-Bodys von Jako-o, die zwei Knopfreihen haben. Aber auch die anderen passen nach wie vor.)
Nachts verwende ich nach wie vor Wegwerfwindeln, weil ich nicht will, dass mein Kind in einer nassen Windel schlafen muss.
Kosten
Wenn man, anders als ich, von Anfang an Stoffwindeln benutzt, spart man sich auf jeden Fall einige hundert Euro. Je nachdem welche Windeln man kauft, kostet eine Komplettausstattung meist zwischen 300 und 600 € (das ergaben meine Nachforschungen im Internet). Ich war recht sparsam und habe etwas mehr als 200 € ausgegeben, für drei PLU Überhosen, eine Wollüberhose, 20 Mullwindeln, Nähzubehör und das Vorhaben, aus zwei alten Wollpullovern vier Überhosen zu nähen (was ich leider immer noch nicht geschafft habe). Mal sehen ob das auf die Dauer reicht.
Fazit:
Der Arbeitsaufwand ist machbar (jedenfalls für mich), es kostet weniger und schont die Umwelt. Ich bin überzeugt. Außerdem gibt’s die Windeln in unendlich vielen tollen bunten Designs, da macht das Shoppen (und Wickeln) gleich noch mehr Spaß. 😉
Windelfrei
Aber nicht nur Stoffwindeln haben gerade Aufwind. Kürzlich habe ich in Nicola Schmidts Buch „Der Elternkompass“ ein sehr interessantes Kapitel zum Thema Wickeln gelesen. Es war nicht das erste mal, dass ich von „windelfrei“ gelesen habe, also einer Methode, bei der Babys von Geburt an „Abgehalten“ werden, also dazu gebracht, dass sie ihr Geschäft außerhalb der Windel erledigen (z.B. auf dem Klo, gehalten von einem Erwachsenen natürlich). Ohne jemals ernsthaft darüber nachgedacht zu haben, hielt ich diese Methode bisher für ziemlich verrückt bis unmöglich, wenn man noch etwas anderes tun will als sein Baby zu beobachten oder es ständig umzuziehen.
Wobei – so viel habe ich mittlerweile begriffen – windelfrei heißt nicht unbedingt, dass tatsächlich gar keine Windeln getragen werden.
Im erwähnten Kapitel wird beschrieben – abgesehen von der Hochrechnung, wie viele Windeln in Deutschland jährlich weggeworfen werden, eine schockierende Zahl – wie Blase und Schließmuskel von Säuglingen funktionieren. Offenbar zeigen Babys bereits am Anfang ihres Lebens an, wenn sie mal müssen, und zwar dadurch, dass sie unruhig werden, strampeln, sich hin und her drehen. Und sie entleeren ihre Blase nicht ständig, sondern dann, wenn sie voll ist.
Wenn man einem Baby also lernt, dass es bei Harndrang in einer bestimmten Position an einem bestimmten Ort gehalten wird, sodass es seine Blase leeren kann, dann macht es das auch vorzugsweise so. Dauert es zu lange dorthin zu kommen, dann geht’s natürlich in die Hose, wie bei Kleinkindern eben auch.
Die verbreitete Überzeugung, dass Kinder erst mit zwei Jahren ihren Schließmuskel kontrollieren können, ist demnach falsch. Was mich dabei vor allem nachdenklich gemacht hat, ist die Tatsache, dass Windelkinder offenbar erst lernen, einfach loszulassen, wenn sie müssen, um dann später wieder lernen zu müssen, die Blase zu kontrollieren. Aus dieser Perspektive scheint das doch irgendwie unnötig kompliziert.
Außerdem berichtet Nicola Schmid von Babys und Kleinkindern, die Nachts „teilweise ein bis zwei Stunden hin und her zappeln, bis sie sich endlich in die Windel entleeren[1]“. Ich frage mich, ob das auch bei meinen Kindern schon der Grund für nächtliches Wachsein war. Stundenlanges hin- und her Wälzen kenne ich von beiden Kindern, besonders aber vom Großen. Der könnte mir allerdings schon sagen, dass er mal muss, aber womöglich weiß er nicht, was ihn am Einschlafen hindert. Auf jeden Fall behalte ich das im Hinterkopf.
Was mich an dieser Methode am meisten stört, ist die Aussicht auf nächtliche Toilettengänge. Wobei man ja nachts auch Windeln anziehen könnte. Und generell klingt es nach mehr Arbeit, besonders wenn man noch ein größeres Kind hat das auch noch Hilfe braucht, wenn es aufs Klo muss. Aber hier ist es wohl genauso wie bei allen anderen Dingen: ob und wie ich damit zurechtkomme, weiß ich erst, wenn ich es mal ausprobiert habe.
Jedenfalls gibt es gute Argumente, die für Windelfrei von Anfang an sprechen. Vielleicht teste ich das ja beim dritten Kind, mal sehen.
[1] Schmid, Nicola, 2020. Der Elternkompass (1. Aufl.). Gräfe und Unzer Verlag, München